Ein Arzt erklärt das Anderssein

Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, wagemutig oder schüchtern, introvertiert oder extrovertiert. Der New Yorker Psychiater Dr. Rami Kaminski bietet eine andere Variante des inneren Seins an: weder nach innen noch nach außen gerichtet, sondern eben anders orientiert – er nennt es otrovertiert.

Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß der Autor, wie belastend es sein kann, dazugehören zu müssen – von wollen ist im Falle einer otrovertierten Person selten die Rede. Die Gesellschaft verlangt Zugehörigkeit, der oder die Otrovertierte zieht jedoch das Alleinsein oder gehaltvolle Vier-Augen-Gespräche jeder Guppendynamik samt Smalltalk vor.

Besonders interessant ist die Mischung aus persönlicher Biografie, klinischen Beobachtungen und soziologischen Erkenntnissen. Die Lektüre zeigt, dass Nicht-Dazugehören kein Fehler, sondern ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal ist und Ausdruck innerer Freiheit sein kann. In einer Gesellschaft, die Individualität oft mit Isolation verwechselt, bietet Dr. Kaminski eine wohltuende Umdeutung: Anderssein wird nicht als Defizit, sondern als bewusste Entscheidung für Integrität verstanden.

Das Buch ist ein Plädoyer für die befreiende Kraft der Individualität in einer Zeit, die nach Konformität verlangt. Es lädt ein zur Selbstreflexion, zur Auseinandersetzung mit den eigenen Anpassungsmechanismen und zur Wiederentdeckung des inneren Eigensinns, der uns Menschen erst authentisch macht.

Auch, wer sich selbst nicht den Otrovertierten zugehörig fühlt, wird durch die Lektüre den eigenen Horizont erweitern und das oft vorschnelle Einordnen von Menschen in Zukunft wohl eher sein lassen …

Dr. Rami Kaminski. Wie schön es ist, nicht dazugehören zu müssen. Kailash Verlag. www.penguin.de