Marzipantage – Teil 1

Einladende Häuser mit bezaubernden Gärten. Malerische Wege und das Kloster Frauenwörth mit seinem markanten Turm. Eine kleine autofreie Welt, von nur rund 300 Menschen bewohnt. Ach, wir würden am liebsten verschweigen, wie schön es ist auf der Fraueninsel – aber das ist leider schon bekannt. Etwas weniger bekannt ist jedoch die herrlich nostalgische Anreisemöglichkeit mit der alten Schmalspurbahn. Damals, als der Bayernkönig Ludwig II tot und das Volk auf den Chiemseeinseln endlich willkommen war, stauten sich die Kutschen in Richtung See so sehr, dass eine Alternative her musste. Voilà: die Chiemsee-Bahn.

Sie verkehrt seit 1887 zwischen dem Bahnhof Prien und der Schiffsanlegestelle Prien-Stock. Am besten an dem altertümlichen Fortbewegungsmittel ist die Geschwindigkeit. Jeder Radfahrer ist schneller. Genau richtig, um während der 1,91 Kilometer und nur acht Minuten Fahrzeit huldvoll dem Fußvolk zuzuwinken. An dieses Reisetempo könnten wir uns gewöhnen. Zeit, um zu schauen. Zeit, um sich auf den See zu freuen. Die Fahrt lässt sich übrigens im Salonwaggon der ersten Klasse besonders stilvoll genießen.

Für nur einen Euro mehr sitzt man auf edlem Samt, für zwei Euro würde der Schaffner einen Piccolo reichen. Allein, es ist noch nicht einmal Mittag und es wartet noch eine Schifffahrt über das bayerische Meer, die mit allen Sinnen erlebt werden möchte.

Zwischen chinesischen, russischen und europäischen Touristen lassen wir uns über den Chiemsee befördern. Die meisten wollen alles auf einmal erleben: Die Herreninsel, die Fraueninsel, Gstadt, Prien, den See. Viel Zeit zum Genießen gibt es da nicht. Darum haben die Entdecker vor, zu bleiben. Einfach so. Über Nacht. Die Herreninsel lassen wir rechts liegen, wir haben diesmal nur die Fraueninsel im Kopf. >Wenn ich den See seh‘, brauch ich kein Meer mehr<, steht irgendwo geschrieben. Und so ist es: Urlaubsgefühle stellen sich ein, wie früher, als es bis ans Mittelmeer ging…

Auf der Fraueninsel angekommen, bemühen wir uns, den Touristenströmen zu entkommen. Wer die Wege kreuz und quer über die Insel nimmt, hängt den Großteil ab. Die Massen bleiben brav am Inselufer, einmal rundum. Einige kehren ein, die Streber besuchen noch Kirche und Klosterladen – und irgendwann sind alle weg. Auf diesen Moment haben wir sehnsüchtig gewartet… Nur noch Seminarteilnehmer und Einheimische bleiben zurück, es kehrt eine betörende Ruhe ein. Auf der Fraueninsel sollte man abends gerne allein sein – oder einen Lieblingsmenschen dabei haben, denn viel Ablenkung gibt es hier nicht. Genau das wollten wir – den Tagestrubel vergessen und so tun, als lebten wir hier.

Zwar fehlt uns das eigene Häuschen samt Garten, aber ein Hotel tut’s auch. Wir haben ein prächtiges Zimmer mit Blick auf den See. Das Bett gemütlich, das Badezimmer sehenswert und das Frühstück ein Genuss. Dennoch verkneifen wir uns dieses Mal den Hoteltipp, denn einen Hotelier, der eigentlich keine Gäste mag, möchten wir lieber nicht empfehlen. Schließlich haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren Leserinnen & Lesern, jawoll. Zum Trost verkünden wir stattdessen Köstliches:

Wer sich tagsüber im Klosterladen herumgetrieben hat und schlau genug war, vorzusorgen, erlebt nach einem genüsslichen Abendessen bei einem der Inselgastwirte die pure Freude: Marzipankonfekt. Hergestellt von den Benediktinerinnen in hingebungsvoller Handarbeit. Wäre es nicht zu anzüglich, wir würden durchaus ein wenig stöhnen… Inzwischen geht in aller Ruhe die Sonne unter und lässt den riesigen See in seine Nachtruhe gleiten. Ein letztes Segelboot kehrt zum Hafen zurück und die Laternen übernehmen ihren abendlichen Job. Noch ein kakaobestäubtes Marzipankügelchen in den Mund geschoben und man ist nicht nur still – sondern zutiefst glücklich.

Die Nächte auf der Insel sind herrlich ruhig. Wer allerdings ein Problem mit Spinnen hat, bleibe besser auf dem Festland. Die Tiere lieben die Insel leider ebenso sehr wie die Entdecker –  aber jedes Paradies hat eben seine Schattenseite. Oje, der Marzipanvorrat ist schon aufgegessen. Wie gut, dass noch ein Tag auf uns wartet…

 

 PS: Das Bild vom Klostergarten ganz oben ist von Michael Möller – fotolia. Wir haben zwar den gleichen Ausschnitt geknipst, aber die Sonne hat in jenem Moment gefehlt, drum lassen wir uns vom Profi aushelfen…