Ein Tag dem Tango

Kapitel 19Zwei Gründe zu feiern

Die Jubiläen häufen sich: Die Entdecker feiern Halbzeit in Buenos Aires und der Tango seinen internationalen Festtag. Carlos Gardel, der weltweit verehrte Tangosänger, wurde am 11. Dezember geboren. Ihm ist dieser Tag gewidmet. Dass der Künstler mit großer Wahrscheinlichkeit Franzose war, interessiert in Argentinien niemanden. Wer solch eine Stimme hatte, muss einer >von uns< sein. Und – an diesem Tag muss man einfach auf eine Milonga gehen, egal ob Argentinier, Franzose oder Austrianer …

Trotz latenter Übelkeit (da war wohl ein kürzlich verspeistes Gericht dem Wohlbefinden nicht ganz zuträglich) warfen sich die Entdecker in Tangokleidung und eroberten eine bisher unbesuchte Milonga im >Casa de Galicia<, dem Haus Galiziens. Um es kurz zu machen: Volltreffer! Ein herrlicher Saal mit den Kopien spanischer Ölschinken an den Wänden. Ein alter Parkettboden mit Fischgrät-Muster. Erfreulich dezent klimatisiert und eine großartige Stimmung.

Die Deckenventilatoren drehen sich im flotten Takt der alten Tangos. Die konservative Sitzordnung so wie früher in den Kirchen am Land: die Weiblein rechts, die Männlein links. Paare dürfen an den Schmalseiten im Saal Platz nehmen. Aus dieser Perspektive lässt sich das traditionelle wortlose Auffordern mit einem simplen Kopfnicken wunderbar beobachten.

Der Wikinger hat getanzt wie ein junger Gott, die Entdeckerin hatte den flauen Magen mit einem guten Schluck Fernet beruhigt und konnte sich so den herrlichen Tänzen hingeben. Ah, es war übrigens eine frühabendliche Milonga. Da wir noch immer nicht so weit argentinisch geworden sind, dass es uns gegen Mitternacht in den Beinen juckt, haben wir uns auf die seniorenfreundlichen Zeiten verlegt. Und es zeigt sich wieder einmal: die älteren Semester sind die bessere Wahl. Zwar entsprechen nicht mehr alle nackten Oberarme von der Konsistenz her der gängigen Mediennorm, und so manches Gesicht verliert seine ehemals straffen Konturen – aber solche Hingabe und Bewegungsfreude haben wir im tanzenden Jungvolk noch kaum erlebt. Und zwischendurch kommt die Klofrau samt Wischmopp und huscht flink zwischen den Tänzern über den alten Boden, damit auch niemand ausrutscht. Die Dynamik dieser reifen Tangueros hat es nämlich in sich…

Ruhebedürftig nach so viel Bewegung? Hier entlang…